Die Sühnekapelle zum Heilig-Blut übt auf Gläubige eine grosse Anziehungskraft aus. Die älteste Aufzeichnung der Heilig-Blut-Legende stammt aus dem Jahre 1498 und nahm seinen Anfang während eines
Spiels von drei verruchten Männern. Bei der Stadt Willisau gab es einen öffentlichen Platz, den «Lustgarten», auf dem häufig gespielt wurde, viel gewonnen oder alles verloren wurde.
Der Legende nach sassen einst drei Männer im Lustgarten beisammen. Nachdem Ueli Schröter beim Spiel sein ganzes Geld verloren hatte, zog er erzürnt sein Schwert, stiess es in die Luft und rief:
«Es solle den Leib Christi durchbohren!» Sogleich fielen Blutstropfen auf den Tisch der Spieler und der Gotteslästerer wurde unter schrecklichem Getöse vom Teufel geholt. Die beiden anderen
versuchten darauf, am benachbarten Fluss Enziwigger, die Blutstropfen vom Tisch zu waschen, was ihnen nicht gelang. Beim Streit wurde der eine vom andern Spieler erstochen. Der andere ergriff die
Flucht, wurde jedoch von Läusen zu Tode gemartert und brach auf der Schwelle des Stadttores zusammen. Diese Freveltat soll sich am 7. Juli 1392 zugetragen haben.
Am Ort, wo sich dies zugetragen hat, wurde dann um Mitte des 15. Jahrhunderts eine Kapelle errichtet. 1497 wurde die hölzerne Kapelle durch einen gotischen Bau ersetzt. Die heutige Kapelle stammt aus dem Jahre 1674 und ist noch stark der Renaissance verpflichtet. Die drei figurenreichen, hölzernen Frühbarockaltäre entstanden weinige Jahre später. Acht Ölgemälde mit der Heilig-Blut-Legende schmücken die Kapellenwände. Die bemalte Holzdecke wurde 1854 eingesetzt. Die Bilder stellen neutestamentliche Szenen, die Apostel und die Nebenpatrone der Kapelle dar. Der an die Kapelle angrenzende Lustgarten thematisiert die Legende zum Heilig-Blut. Die besagten Blutstropfen sind in Form von fünf rotblühenden bzw. rotlaubigen Pflanzbeeten in den Lustgarten integriert. Wie früher lädt Sie auch heute der Lustgarten zu Spiel, Begegnung und zum Verweilen ein.
Die Blutstropfen, die der Ortspfarrer danach aus der Tischplatte herausschnitt, werden in einer Monstranz aufbewahrt. Alljährlich findet am zweiten Sonntag nach Pfingsten eine grosse Sühneprozession statt. Nach dem Festgottesdienst zieht ein langer Tatzelwurm von Gläubigen mitsamt ErstkommunikantInnen in ihren weissen Festkleidern, Stadtmusik, Herrgottskanonieren, Reitern und der Blutstropfen-Monstranz von der Heiligblut-Kapelle beim Obertor durch die anliegenden Wohnquartiere zum Untertor und wieder die Hauptgasse hoch bis zur Kirchentreppe. Der Kanonendonner der Herrgottskaniere verleiht dem Brauchtum unüberhörbar entsprechend Gewicht.